Das offene Bein – Das Ulcus cruris venosum
(Auszug aus Dr. Holtzmanns Venenbuch)
Das offene Bein – Das Ulcus cruris venosum
(Auszug aus Dr. Holtzmanns Venenbuch)
Auf dem Bild sehen Sie ein venenbedingt offenes Bein. Es ist keine Wunde, sondern ein Geschwür.
Das Venengeschwür am Unterschenkel ist eine Stauungserkrankung. Auch hier ist die Therapie der Erkrankungsursache, nämlich den ungenügenden Abstrom des Venenblutes zu optimieren klar: Das Bein muss tiefenwirksam entstaut werden!
Ich lege deswegen einen nichtnachgiebigen Unterschenkelkompressionsverband nach Heinrich Fischer an. Und die Patientin muss laufen. Die Heilung erfolgt nicht von heute auf morgen! Aber man kann nach dem ersten Verbandwechsel, nachdem auch schon die Schmerzen schlagartig weniger wurden, die ersten Granulationsherde erkennen. Je nach Größe des Geschwürs beträgt die Heilungsdauer Wochen bis Monate.
Um die richtige Therapie zu finden, sollte man immer die Ursache einer Erkrankung kennen. Beim Venenunterschenkelgeschwür ist es die Abflussstörung der venösen Blutmassen. Dies ist wiederum die Ursache für eine Stauung, die sich von den großen Venen zurück bis in die Kapillaren fortpflanzt und so in den versorgenden Blutschenkel (Arterien) hineinreicht. Die Nährstoffe und der Sauerstoff erreichen über die gestauten Kapillaren nicht mehr die Hautzellen des Beines. Das bedeutet für diese Zellen, dass sie verhungern und ersticken. Sie sterben ab. Dies ist der Entstehungsmoment eines Unterschenkelgeschwürs.
Wenn man dies weiß, weiß man auch wie man das Venenunterschenkelgeschwür heilt. Die Abflussstörung muss beseitigt werden. Damit wird dann die Stauung beseitigt und nun können wieder Nährstoffe und Sauerstoff an die Hautzellen herantransportiert werden. Die abgestorbenen Zellen kann man nicht ins Leben zurückrufen. Aber durch die wiederhergestellte Versorgung können vom Rand her sich die Zellen teilen und so die Geschwürsfläche überwuchern und das Geschwür abheilen lassen.
Die direkte Wundauflage auf dem Geschwür spielt eine untergeordnete Rolle.
Sie sind von Geschwür zu Geschwür unterschiedlich. Die direkte Wundbehandlung folgt heute den Prinzipien der sogenannten “feuchten Wundbehandlung”. Durch Schaumstoffauflagerungen oder Folien wird das Geschwür feucht gehalten. Es ist nicht mehr wie früher das Ziel das Geschwür auszutrocknen, seit 1971 der Biologe G. D. Winter (veröffentlicht im “Nature”) erkannte, dass in einem feuchten Milieu die Wachstumsvorgänge schneller ablaufen. Allerdings ist jedes Unterschenkelgeschwür anders! Man braucht am Anfang eine Weile um die optimale Zusammensetzung für die feuchte Wundbehandlung unter dem Zinkleimverband zu finden.
Es existieren Unterschenkelgeschwüre unterschiedlichster Ursache. Weitaus am häufigsten sind aber die Geschwüre die eine venenbedingte Rückflussstörung als Ursache haben.
Zudem gibt es offene Beine, die als Ursache eine Minderung des arteriellen Zustroms haben. Dabei ist das versorgende Schlagadergefäß eingeengt oder verschlossen. Hier wird direkt die Versorgung mit Sauerstoff und Nährstoffen reduziert. Die Körperzellen sterben auf Grund des Sauerstoff- und Nährstoffmangels ab.
Beine können aber auch noch auf Grund immunologischer oder entzündlicher Ursachen aufgehen. Hierbei wissen wir leider bis heute in den seltensten Fällen was ursächlich beteiligt ist.
Bei dem oben gezeigten Venengeschwür waren alle Möglichkeiten der modernen Chirurgie die heute zur Verfügung stehen, angewandt worden. Von der Stripping-Operation über die subfasciale endoskopische Perforanzunterbindung bis zur Hauttransplantation. Alle Verfahren waren erfolglos geblieben! Auch dieses ist ein Hinweis auf die Bedeutung des tiefen Venensystems in der Entstehung der venösen Unterschenkelgeschwüre.
Die oberflächlichen Venen (und Krampfadern) spielen nur eine untergeordnete Rolle, da das oberflächliche Abstromvolumen nur 10 % beträgt. Das tiefe Venensystem transportiert 90 % des Venenblutes. Auch in der Behandlung des Venengeschwürs muss man in der Lage sein, das tiefe Venensystem zu erreichen.
Deswegen bekam auch diese Patientin einen Unterschenkelkompressionsverband nach Heinrich Fischer, der nicht elastisch ist, anmodelliert. Auch sie sollte als wichtiges therapeutisches Mittel dreimal am Tag mindestens eine ½ Stunde gehen.
Sehr häufig handelt es sich bei den Unterschenkelgeschwüren um so genannte Kindsbeine. In der Schwangerschaft und insbesondere nach der Geburtsphase kommt es auch heute noch zu unerkannten größeren und kleinen Thrombosen. Und zehn, zwanzig, dreißig Jahre später gehen dann die Unterschenkel auf, weil sich ein postthrombotisches Syndrom entwickelte und zu einem “Kindsbein” führt.